Ein buntes, zauberhaftes Gewürfel in Hamburg

Samstag, 25. Februar 2017 (1. Turniertag)

Es ist 7:00 Uhr – mein Wecker klingelt. Wenn mich mein Wecker am Wochenende so früh aus den Federn wirft, dann hat das in der Regel nur einen Grund: Ein Turnier steht an!

Dieses mal bunte Würfel statt Plastikbecher

Und so ist es auch dieses Mal. Die Hamburg Open 2017 stehen bevor und Felix und ich fiebern
schon seit Wochen diesem Wochenende entgegen. Doch bei diesem Turnier geht es ausnahmsweise mal nicht um das schnelle Becherstapeln, sondern um das schnelle Lösen von Zauberwürfeln.

Wahrscheinlich denkt ihr euch jetzt: „Zauberwürfel? Diese bunten Dinger, die es schon in den 80ern gab und an denen gefühlt jeder verzweifelt ist?“ – JA, genau diese Dinger meine ich.
Die bunten Würfel haben in den frühen 2000ern ihr Comeback gefeiert und nun werden sie in verschiedenen Größen, Formen und auf verschiedene Weisen gelöst, aber in der Regel immer auf Zeit. Das Ganze hat sich zu einem Geschicklichkeitssport entwickelt, der auf den Namen Speedcubing hört und den Felix seit 1,5 Jahren betreibt und dem ich sogar schon seit 8 Jahren verfallen bin.

Es geht los

Inzwischen ist es 9:23 Uhr. Die Fahrkarte ist gelöst und Felix und ich steigen in die Bahn Richtung Hamburg ein. Da wir ca. eine Stunde zum Veranstaltungsort fahren und dann auch direkt die erste Disziplin für uns beginnt, nutzen wir die Zeit in der Bahn und machen uns schon mal etwas warm. Genau wie beim Sportstacking müssen wir beim Speedcubing gegen kalte und zittrige
Hände ankämpfen – gar nicht so einfach bei 4°C Außentemperatur und der Anfangsnervosität.
Für Felix wird dies nämlich das erste Speedcubing-Turnier sein, für mich – wie ich später bei der Anmeldung erfahren werde – zwar bereits das 20. Turnier, aber nervös ist man trotzdem immer etwas.

„Nächster Halt: Rödingsmarkt.“ – hier müssen wir raus. Direkt gegenüber von der Haltestelle liegt das Mindspace Hamburg – scheinbar ein Bürogebäude mit größeren Meetingräumen – wo das Turnier die nächsten zwei Tage stattfinden wird. Kaum das Gebäude betreten, hören wir bereits das Geklacker der Zauberwürfel. Also weiter dem Geräusch nach, bis wir endlich den Veranstaltungsraum betreten und freundlich an der Anmeldung begrüßt werden.
Für jeden Teilnehmer gibt es ein Namensschild und auf Wunsch auch ein rotes Armbändchen mit dem Schriftzug ‚Hamburg Open 2017‘. Die Namensschilder liegen alle aufgereiht und sortiert auf einem kleinen Tisch neben der Anmeldung; das ist immer der Moment, in dem man die Größe des Teilnehmerfeldes realisiert. 80 Leute sind für das Turnier angemeldet – und das sieht man auch an der Masse an Namensschildern. Trotzdem finden wir unsere Namen relativ schnell. Ein letzter kurzer Blick durch den Raum – ich sehe ein paar bekannte, aber auch viele neue Gesichter – bevor wir uns einen freien Platz suchen und die Würfel auspacken.

Das Turnier beginnt

10:35 Uhr. Bevor es richtig losgeht, gibt es für die Neulinge ein sogenanntes Competitor & Judging Tutorial, also eine kurze Einweisung, was man als Teilnehmer und als Schiedsrichter zu beachten hat. Auf Speedcubing-Turnieren ist es nämlich erforderlich, dass alle Teilnehmer auch mal als Schiedsrichter fungieren. Damit kein Chaos entsteht, werden die Teilnehmer pro Disziplin auf mehrere Gruppen aufgeteilt, d. h. wenn eine Gruppe mit dem Lösen der Würfel beschäftigt ist, ist es die Aufgabe der anderen Gruppen, die Versuche zu kontrollieren.
Zwar habe ich Felix die grundsätzlichen Sachen für das Judgen bereits zu Hause erklärt, trotzdem schauen wir uns das Tutorial nochmal an, um die letzten offenen Fragen zu klären. Dann geht es endlich los.

Felix‘ erster Versuch

„Die Scoresheets für die erste Runde 5x5x5 liegen aus!“ – das ist das Zeichen für Felix, seinen Würfel bei den sog. Scramblern abzugeben, die seinen Würfel dann nach einer vom Computer zufallsgenerierten Zugfolge verdrehen. Er legt seinen Würfel auf sein Scoresheet (sein Teilnahmezettel) und setzt sich dann mit den anderen aus der ersten Gruppe in den Wartebereich. Ich dagegen bin erst in der zweiten Gruppe dran, also ist es meine Aufgabe, die verdrehten und mit einer Plastikkappe abgedeckten Würfel bei den Scramblern abzuholen, den entsprechenden Teilnehmer aufzurufen, mit ihm einen freien Teilnahmetisch zu suchen und seinen Lösungsversuch zu leiten.

Dann wird Felix endlich aufgerufen. Aufstehen. Einen freien Platz suchen.  Wieder hinsetzen. Ein letztes Mal sammeln. Auf das „bereit?“ des Schiedsrichters mit einem lauten „JA!“ antworten.
Die Abdeckung wird abgenommen. Maximal 15 Sekunden Zeit, sich die ersten Züge zu überlegen. Dann die Hände auf den Timer – los geht’s!  Es ist sein erster offizieller Solve und er ist sichtlich nervös. Hier mal eine Pause, hier mal ein Haker – aber für seinen allerersten Versuch macht er es gut. Nach 4:57.23 min. ist der Würfel gelöst. Die Zeit wird notiert, der Würfel wieder zum Scramblingtisch gebracht und Felix muss wieder zurück in den Wartebereich.
Dann geht das selbe Spiel von vorne los. Im zweiten Anlauf kann er seine vorherige Zeit zwar auf 4:20.34 min. verbessern, aber leider unterbietet er in diesen beiden Versuchen nicht die 3 Minuten-Zeitgrenze, um hier drei weitere Versuche zu bekommen und damit eine gültige Durchschnittszeit zu machen.

Zweite Gruppe – jetzt bin ich dran. Gleiches Spiel wie bei Felix – Würfel abgeben und warten, bis ich aufgerufen werde. Bei mir geht es mit 2:04.11 min. im ersten Versuch auch nicht gut los, aber danach wird es sichtlich besser, sodass ich letztlich mit einem Durchschnitt von 1:50.68 min. (Platz 16) aus der ersten Runde gehe und mich für die zweite Runde qualifiziere.

Der weitere Tagesverlauf

Ähnlich verläuft dann auch der Rest des ersten Turniertages. Es finden noch einige weitere Disziplinen und pro Disziplin auch mehrere Runden statt, sodass der Zeitplan bis 20 Uhr vollgepackt ist.
Felix nimmt noch an der Disziplin ‚Megaminx‘ teil, ich dagegen an ‚Megaminx‘ (Runde 1), ‚3x3x3 Onehanded‘ (Runde 1 & 2) und ‚5x5x5‘ (Runde 2).
Ansonsten sind wir oft mit judgen beschäftigt und ich wurde auch mehrmals als Scrambler eingeteilt; langweilig kann uns also gar nicht werden.

Neben dem eigentlichen Turnierablauf steht bei solchen Treffen aber auch die Interaktion zwischen den Cubern im Vordergrund.  Sind wir gerade mal nicht im Turniergeschehen eingebunden, sitzen wir an unserem Aufenthaltstisch und unterhalten uns mit dem kanadischen Cuber neben uns oder denken uns mit anderen Cubern verrückte Disziplinen aus. Außerdem nutzen wir solche kleinen Pausen, um mal etwas zu essen und zu Kräften zu kommen. Speedcubing verlangt zwar hauptsächlich die mentalen Kräfte ab, aber trotzdem fühlt man sich am Ende eines Turniertages ausgelaugt und platt. Deswegen ist es ganz angenehm, dass hier Getränke und kleine Snacks im Eintrittspreis mit inbegriffen sind. 😉

Auch mit den Füßen wurde der Würfel gelöst.

Bei mir kommt dann noch etwas Kameraarbeit hinzu. In der Vergangenheit habe ich, wie auch bei Sportstacking-Turnieren, Highlight-Videos zu manchen Speedcubing-Turnieren gemacht.
Auch hier möchte ich ein Video mit coolen Turnier-momenten kreieren, sodass ich ab und zu meine Kamera greife und ein paar Impressionen einfange.

 

Sonntag, 26. FEBRUAR 2017 (2. TURNIERTAG)

Es ist Sonntag, der zweite Turniertag. Heute klingelt der Wecker noch früher als gestern, da für uns das Turnier schon um 9:30 Uhr beginnt und die Bahn seltener fährt als gestern. 8:03 Uhr steigen wir also in die Bahn und tuckeln ein zweites Mal nach Hamburg.

Heute finden – in meinen Augen – die spannenderen Disziplinen statt: Ich werde beim ‚2x2x2‘, beim ‚4x4x4‘, beim ‚3x3x3 Blindfolded‘ und beim ‚3x3x3 TeamBlind‘ mitmachen – und natürlich auch in der Königsdisziplin, dem standardmäßigen 3x3x3. Felix macht außer bei den Blind-Disziplinen ebenfalls bei allem mit. Außerdem wird es eine kleine Zauberwürfelverlosung geben – vielleicht haben wir da ja auch noch etwas Glück.

WieDer so viele neue gesichter

Kaum in Hamburg aus der Bahn gestiegen, sehen wir schon die ganzen Zauberwürfler vor der Eingangstür stehen. Die Tür ist wohl noch verschlossen. Und offenbar sind es heute noch mehr Leute als gestern, aber das ist normal. Erfahrungsgemäß melden sich viele Neulinge nur für die Disziplinen ‚2x2x2‘ und ‚3x3x3‘ an, die meistens am Sonntag stattfinden.
Obwohl es etwas regnet, tummeln wir uns mit in die Menge und tauschen ein paar Worte mit bereits bekannten Leuten aus. Nach wenigen Minuten kommen dann auch die Turnierveranstalter – mit mehreren Körben voller Obst in der Hand – dazu und öffnen die Eingangstür.

Konzentrationsmangel und die Verlosung

Patrick beim Lösen des 4x4x4

Der Turniertag fängt eigentlich ganz gut an, denn mit dem 4x4x4 starten wir mit einer meiner Lieblingsdisziplinen. Und so schlecht sind meine ersten Zeiten auch nicht, denn mit einem Durchschnitt von 54.88 Sekunden kann ich fürs erste gut leben. Felix bleibt bei seinen zwei Versuchen leider immer knapp über 2  Minuten, aber hier muss ich zugeben, dass die Zeitgrenze von 1:30 min. für Neulinge ganz schön hart ist.
Aber beim nächsten Turnier schafft er diese Zeitgrenze ganz sicher!

Doch kaum ist die 4×4-Runde vorbei, setzt bei uns der Hunger ein. Da wir so früh aufstehen mussten, bestand mein Frühstück aus einer Banane und Felix‘ Frühstück aus einem Schokoriegel. Und die Folgen bemerke ich jetzt bei den nächsten Disziplinen: Ich bin unkonzentriert und mache persönlich keine annehmbaren Zeiten mehr. Im 3x3x3 reicht es zwar für Runde 2, aber zufrieden bin ich definitiv nicht.
Auch bei Felix kann man das steigende Hungergefühl an seinen Zeiten erkennen. Bei seinen Versuchen im 3×3 ist er durchschnittlich 5 Sekunden langsamer als normal, was bei einem Zeitsport natürlich fatal ist. Letztlich landet Felix nach Runde 1 auf Platz 70 und ich auf Platz 28.

Doch zum Glück ist jetzt die Verlosung und danach direkt die Pause. Die eben erreichten Platzierungen sind nun Grundlage für die Verlosung, bei der durch einen Zufallsgenerator Zahlen zwischen 1 und 80 gezogen werden und die entsprechende Platzierung dann einen Würfel gewinnt. Und da es mehrere Würfel zu verlosen gibt, ist die Chance gar nicht so gering, zu gewinnen.

Ergebnisse der ersten Runde 3x3x3

Es geht los. Durch einen Beamer angestrahlt, verfolgen wir das auf dem Computer geschehende Spektakel auf der Leinwand. Zahl für Zahl wird gezogen, doch leider immer an unseren Zahlen vorbei. Oft passiert es, dass sich bei einer gezogenen Zahl niemand meldet – vermutlich sind die entsprechenden Personen schon in der Pause.
Schade für euch – gut für uns! Denn dann wird der gewonnene Würfel neu verlost.

Dann wird es irgendwann spannend: „29!“ – verdammt, knapp vorbei. Wenige Ziehungen später kommt dann sogar „27!“ und ich fühle mich mit meiner Nummer 28 leicht veräppelt.
Dann die letzte Ziehung: „28!“ – JAWOLL! Glück in letzter Sekunde! Ich hole mir stolz meinen Preis bei den Veranstaltern ab und stelle fest: Den Würfel habe ich bereits 3 Mal. Egal! Der Würfel dreht sich trotzdem gut und vermutlich werde ich den auch für die kommende 3×3-Runde verwenden.

Aber jetzt kommt der Moment, auf den wir den ganzen Tag gewartet haben – Pause! Direkt in der Nähe soll es eine Pizzeria und einen Dönerladen geben; damit geben wir uns direkt zufrieden. Wir ziehen uns also an – der Regen hat zum Glück wieder aufgehört – gehen raus und machen uns auf die Suche.
„Hier ist die Pizzeria!“ – geschlossen.
„Und hier ist der Dönerladen!“ – auch geschlossen.
„Wow… Und da hinten ist noch eine Tankstelle. Was ist mit der?“ – zwar geöffnet, aber bis auf zwei einsame Laugenstangen gibt es da nichts Brauchbares. Und wer weiß, wie lang die Laugenstangen da schon liegen…
Wir verzichten also auf das Mittagessen und quälen uns weiterhin durch den Tag. Zwar gibt es noch das bereitgestellte Obst von den Veranstaltern, aber satt macht das auch nicht.

Turnierende

Dementsprechend unspektakulär ist auch das Ende des Turnieres. Ich darf noch ein paar durchschnittliche Zeiten hinlegen, mache noch ein paar Aufnahmen für mein Highlight-Video und judge mal hier und da. Das einzig zu erwähnende Event wäre noch das TeamBlind-Event, bei dem eine Person seine Augen verbunden bekommt und auf Anweisungen einer anderen Person den Würfel lösen muss. Das ist immer sehr interessant mit anzusehen, vor allem wenn zwei Leute ein Team bilden, die das vorher noch nie zusammen gemacht haben. So wie Andres Flügel und ich, die als ‚A-Team‘ antreten und zweimal knapp an der Zeitgrenze scheitern, weil die Kommunikation zwischen uns ein völliges Desaster ist. Schade! 😀

Abschließend findet jetzt noch das große 3x3x3-Finale statt, bei dem die 12 schnellsten Teilnehmer um den Sieg würfeln. Leider können wir das aber nicht mehr vollständig ansehen, weil wir unsere Bahn nach Hause bekommen müssen.

Fazit

Es war toll, neben den ganzen Sportstacking-Turnieren auch mal wieder ein Speedcubing-Turnier miterleben zu dürfen. Und vor allem macht es Spaß, wenn man nicht alleine hinfahren muss, sondern Freunde mit im Schlepptau hat, wie dieses Mal bspw. Felix.
Felix hat für sein erstes Turnier eine echt gute Leistung abgeliefert, sowohl als Teilnehmer, als auch als Schiedsrichter. Der etwas eingefahrene Turniermodus und die starke Konkurrenz lassen leider kaum Erfolgserlebnisse für Neulinge zu, aber ich hoffe, ihm hat es trotzdem gefallen und er wird weiter am Ball bleiben, um beim nächsten Mal seine Zeiten unterbieten zu können!

Mit meinen eigenen Ergebnissen bin ich nur mäßig zufrieden. In einigen Disziplinen hätte ich viel besser sein können und manchmal habe ich mir sogar den Bestzeitenkurs mit den letzten beiden Versuchen verbaut. Aber hey – so kann es beim nächsten Turnier nur besser werden. Und dass bei mir ein 21. Turnier auf der Agenda steht, steht komplett außer Frage! 🙂

Ergebnisübersicht

Falls ihr an unseren genauen Ergebnissen interessiert seid, klickt einfach auf diese beiden Bilder:

     

Wer außerdem Interesse daran hat, meine besten Versuche aus jeder Disziplin einmal in Videoform zu sehen, der kann diesem Wunsch hier nachgehen:

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